Viele Ehepaare mit Kindern setzen sich gegenseitig als Alleinerben ein. Der Grund dafür ist meistens die Befürchtung, dass nach dem Tod eines Partners der Überlebende das gemeinsame Haus nicht mehr halten kann. Der Hintergrund: Nach der gesetzlichen Erbfolge bleibt dem überlebenden Partner nur die Hälfte des Erbes, die andere Hälfte steht den Kindern zu. Um zu verhindern, dass nach dem Tod eines Partners die Witwe oder der Witwer größere Vermögenswerte verkaufen muss, bietet der Gesetzgeber mit dem sogenannten Berliner Testament eine Lösung: „Die Ehe oder die eingetragenen Partner setzen einander als Alleinerben ein und bestimmen, dass erst nach dem Tode des zweiten Partners das Vermögen zum Beispiel an die Kinder fallen soll“, erläutert Dr. Michael Kleuser von der Walldorfer Rechtsanwaltskanzlei BGK das Modell.

Doch die Konstruktion hatte bislang einen Haken: Der jedem Kind zustehende Freibetrag von der Erbschaftssteuer in Höhe von 400.000 Euro ging verloren, wenn dieses seinen Pflichtteil nach dem Tod des ersten Elternteils nicht geltend gemacht hatte.

Der Bundesfinanzhof (BFH, Urteil vom 19.02.2013, II R 47/11, DStR 2013, 523) hat nun entschieden, dass das Kind beim Tod des zweiten Elternteils diesen Pflichtteil auch noch nachwirkend geltend machen kann. Dies hat zur Folge, dass das Erbe in Höhe des Freibetrags steuerfrei bleibt, denn der Pflichtteil wird beim Tod des letzten Elternteils als sogenannte Nachlassverbindlichkeit vom Wert des Erbes abgezogen. Und hier geht es nicht um Peanuts: In der steuerlichen „Normalfamilie“ mit zwei Kindern liegt der Pflichtteil jedes Kindes immerhin bei einem Achtel des Vermögens des erstversterbenden Elternteils – ein nicht zu vernachlässigendes Sparpotenzial.

Wichtig: Der Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils darf beim zweiten Erbfall noch nicht verjährt sein. „Die Verjährung, also die Frist, nach der der Anspruch nicht mehr rechtlich durchgesetzt werden kann, beträgt drei Jahre ab Ende des Jahres, in dem der Erbfall eingetreten ist“ so Kleuser weiter.

Was nun bedeutet das für eine sinnvolle Nachlassplanung? Kleuser zeigt eine klare Strategie auf: „Zum einen sollten der überlebende Elternteil und das Kind nach dem ersten Erbfall schriftlich vereinbaren, dass der Pflichtteilsanspruch erst nach 20 Jahren verjähren soll. Dann sollte in bestehenden Testamenten geprüft werden, ob Pflichtteilsstrafklauseln vereinbart sind.“ Oft werden nämlich automatisch wirkende Klauseln verwendet, die bei Geltendmachung des Pflichtteils durch ein Kind nach dem Tod des ersten Elternteils zwingend und automatisch zu einer Enterbung beim Tod des Letztversterbenden führen. Diese Klauseln müssen dahingehend angepasst werden, dass sie nur wirken, wenn das Kind den Pflichtteil gegen den Willen des Längerlebenden geltend macht. Dann steht der Steuerersparnis nichts mehr im Weg.