LETZTER WILLE

Testamentseröffnung:
Was Erben wissen müssen

Das Famili­enober­haupt ist gestorben. Im trauten Heim warten die versam­melten Angehörigen darauf, dass der Famili­enanwalt den Letzten Willen des Verstor­benen verliest. So sieht Testa­mentseröffnung im Film aus. In der Realität geht es anders zu.

Ein Anwalt in einem edlen Anzug steht in der holzgetäfelten Bibliothek vor einer eindrucks­vollen Bücherwand. Vor ihm auf dem schweren Schreib­tisch aus Eiche liegt eine Mappe aus dunklem Leder, in der sich der Letzte Wille des verstor­benen Patri­archen versteckt. Die versam­melten Angehörigen in festlichem Trauer­gewand warten gespannt darauf, wer das ganze Vermögen erbt.

In der Praxis laufen Testa­mentseröffnungen so eher nicht ab. Denn meist wird der Letzte Wille nicht von einem Anwalt eröffnet, sondern vom Nachlass­ge­richt. Es wird aktiv, sobald es von einem Todesfall Kenntnis erlangt. Üblicher­weise kommt die Infor­mation vom Standesamt. Antworten auf wichtige Fragen:

Wie erfährt das Nachlassgericht vom Testament?

Ob ein Testament vorliegt, erfährt das Gericht auf zwei Wegen: Zum einen über das zentrale Testa­ments­re­gister, in dem alle notariell erstellten Verfügungen sowie die beim Nachlass­ge­richt hinter­legten handschrift­lichen Testa­mente verzeichnet sind. Zum anderen, weil zum Beispiel ein zu Hause aufbe­wahrtes Dokument entdeckt und bei Gericht abgegeben wurde. Offiziell darf nur das Nachlass­ge­richt die Verfügung aus dem Umschlag holen – vom amtlichen Aufschlitzen des Kuverts leitet sich der Begriff Testa­mentseröffnung ab.

Was passiert, wenn ein anderer ein Testament eröffnet?

Jeder, der ein solches Papier findet, ist verpflichtet, es möglichst sofort beim Nachlass­ge­richt abzuliefern. So sieht es das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vor. Grundsätzlich bleiben verschlossene Umschläge verschlossen. Eine Zwickmühle für die Angehörigen: Woher sollen sie wissen, ob der Letzte Wille in dem in der Nacht­tisch­schublade entdeckten Kuvert steckt, wenn nichts drauf­steht? Wer ein Testament sucht oder es öffnet, sollte neutrale Zeugen dabei haben und alles sorgfältig dokumen­tieren, um Ärger mit der Verwandt­schaft vorzu­beugen. Fotos und Videos sind hilfreich. Auch Entwürfe oder zerrissene Testa­mente müssen laut Gesetz zum Nachlass­ge­richt gebracht werden.

 

Informiert das Nachlassgericht automatisch die Erben?

In der Regel kommt Post vom Nachlass­ge­richt. Das passiert unabhängig davon, ob jemand schon vorher wusste, was ihm Eltern, Partner oder Oma zugedacht haben. Grundsätzlich wird jeder der im Testament Genannten angeschrieben. Das können neben möglichen Erben auch Menschen oder Organi­sa­tionen sein, denen der Verfasser ein Vermächtnis zugedacht hat. Das gericht­liche Schreiben enthält meist das sogenannte Eröffnungs­pro­tokoll und eine Fotokopie des Testa­ments.

Häufig ist nur der jeweils den Adres­saten betref­fende Abschnitt lesbar, der Rest wird geschwärzt. „Den Kinder­schutz­verein geht ja nichts an, was der Schützenverein bekommt“, sagt der Münchner Erbrechts­anwalt und Buchautor Bernhard Klinger, der zudem Mitglied im Deutschen Anwalt­verein (DAV) ist. Nur ein Allei­nerbe erfährt alles. Aus dem Brief des Gerichts geht nicht unbedingt hervor, wie umfang­reich der Nachlass und der Anteil des Einzelnen sind. Manchmal findet sich nur die Formu­lierung „Sie kommen als Erbe in Betracht“. Details zum Inhalt müssen mögliche Nutznießer dann selbst recher­chieren.

Wann bekommt man Nachricht vom Nachlassgericht?

Das hängt unter anderem davon ab, wie schnell nach der Testa­mentseröffnung die richtigen Adres­saten gefunden werden. Bei einem amtlichen verwahrten Testament dauert es etwa einen Monat. Manchmal kann ein halbes Jahr vergehen. Zugunsten eines zügigen Ablaufs rät Bernhard Klinger Testa­ments­ver­fassern, ihre künftigen Erben klar zu benennen. Neben Vor- und Nachname sollten letzte bekannte Adresse, Geburtsort und -datum auf dem Papier stehen. Kosenamen verwirren: „Schat­zimaus kommt und geht. Hinterher weiß keiner, welche gemeint ist.“

Worauf sollten Benachrichtigte achten?

Häufig infor­mieren Nachlass­ge­richte mit einem Formblatt über die nächsten Schritte. Unter anderem sind Fristen wichtig. Ein Erbe hat sechs Wochen Zeit zu entscheiden, ob er den Nachlass notariell ausschlagen soll. Bei Auslands­auf­ent­halten beträgt die Frist sechs Monate. Bei Nichtstun gilt das Erbe automa­tisch als angenommen. Das birgt ein Risiko: Möglicher­weise hat der Verstorbene mehr Schulden als Vermögen hinter­lassen. Die Miesen hätte der Erbe dann zunächst am Bein. Zur eigenen Absicherung sollte er sich deshalb schnell einen Überblick über die Finanzen verschaffen. Ein Erbschein hilft nicht weiter. Denn den gibt es erst bei Annahme des Erbes.

Für das Geltend­machen des Pflicht­teils­an­spruchs bleibt eine Frist von drei Jahren. Die Verjährung beginnt am Ende des Jahres, in dem ein Berech­tigter das Schreiben über die Testa­mentseröffnung im Brief­kasten hatte. Im ärgsten Fall muss der Pflichtteil einge­klagt werden. Eine Klage hemmt die Verjährung.

Der Anspruch auf Herausgabe eines Vermächtnisses – etwa Schmuck für die beste Freundin – endet in der Regel ebenfalls drei Jahre nach Ablauf des Jahres der Zustellung. Bei Immobilien sind es zehn Jahre. Ansprech­partner ist der Erbe. Seine Identität steht im Erbschein. Begünstigte haben Anspruch auf eine Kopie. Den bekommen sie beim Nachlass­ge­richt.

Quelle: https://www.erbrecht-dav.de